Reisebericht

Das blaue Plus

Am Hallenbad in Bernhausen war damals eine Wegmarke des Schwäbischen Albvereins zu sehen, das blaue Plus. Es markiert eine Nebenlinie der Weglinie 2. Grades (Zeichen blauer Strich), welche zu den Weglinien und Farbzeichen im Unter- und Oberland von Baden Württemberg gehört. Bei Wegen, die mit dem Plus gekennzeichnet sind, liegen Anfang und Ende jeweils in der gleichfarbigen Hauptlinie. Außer der Weglinie blauer Strich gibt es noch die Hauptdurchgangslinie – roter Strich – mit dem dazugehörigen roten Plus, ferner, je wieder in rot und blau, Querlinien (Scheibe bzw. Punkt: Verbindung zwischen Haupt- und Nebenlinie gleicher Farbe), ausserdem Stichlinien (Form nicht bezeichnet, ich nenne sie Hufeisen: Abstecher, gleiche Farbe wie Ausgangslinie). Dies sind die Zeichen des Unter- und Oberlandes.

Das Zeichen am Hallenbad: Es fiel mir ab und zu auf; ob ich wusste dass es ein Wanderzeichen war, weiß ich nicht mehr. Ich registrierte es mit Interesse und dem Wissen, daß es zweifellos für mich von der größten Wichtigkeit war.

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Fifth Avenue

Stephan Wackwitz, Fifth Avenue. Spaziergänge durch das letzte Jahrhundert, Frankfurt am Main 2010

Die Verklärung des Gewöhnlichen

„Während meines ersten Besuchs in New York vor fast dreißig Jahren (der mir auf meinen gegenwärtigen Spaziergängen mehr als einmal im Kopf herumging) hat mich nichts (und vor allem nichts Kunstgeschichtliches) so beeindruckt und gerührt wie die von dem Künstler und Architkten James Perry Wilson gefertigten Dioramen der amerikanischen Säugetiere im ersten Stock des American Museum of Natural History. Was im 19. Jahrhundert in Paris erfunden und in den vierziger Jahren des 20sten in New York in eine kaum noch zu glaubende Perfektion getrieben worden ist, wurde mir an einem kalten, dunklen und vollkommen unvergesslichen Winternachmittag, während ich an der Hand meiner Freundin durch das New Yorker Museum of Natural History wanderte, zu der Kunstform, die plötzlich mein eigenes Leben zu verstehen und mir selbst erklären zu können schien…“

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Amerika

Jean Baudrillard, Amerika, Berlin 2004 (Originalausgabe Amérique, Paris 1986)

Siderisches Amerika

„Zu den schönsten Dingen bei Sonnenaufgang gehört der Pier von Santa Monica mit seinen weißen, anrollenden Wellen, dem grauen Himmel am Horizont von Venice, dem blaßgrünen oder türkisen Hotel, das über dem Sandstrand aufragt, und den heruntergekommenen Hotels mit den rußigen Lampen und den mit Graffitis beschmierten und sich ins Endlose fortsetzenden Wänden. Die ersten Wellen werden schon von einigen traumwandlerischen Surfern heimgesucht, melancholisch stehen die Palmen in ihrer Anmut der wilden Jahre da, traurig das Karussell. Die Kurve, die nach Long Beach führt, ist so weit wie die Bucht von Ipanema in Rio, mit der sie als einziger verglichen werden kann. Aber im Gegensatz zu Rio mit seinem stolzen, großartigen und anmaßendem Meer (und trotzdem schönen Meer) läuft diese Stadt hier wie der Randbezirk eines Strandbads, dessen Nebelcharme sie noch immer trägt, fast flach in den Ozean aus. Bei Sonnenaufgang ist dieses Ufer eines der unbedeutendsten der Welt, fast ein Strand von Fischern. Der Okzident endet wie eine Reise, die ihren Sinn verliert, wenn sie ans Ziel gelangt, in einem sinnentleerten Ufer. Die riesige Metropole von Los Angeles scheitert mit derselben Trägheit wie eine Wüste am Meer.“

Jean Baudrillard, Siderisches Amerika, S.86 , in: ders., Amerika, Berlin 2004
(Originalausgabe Amérique, Paris 1986)

Ohne Leitbild

Theodor W. Adorno, Amorbach, S.22, in: ders., Ohne Leitbild Parva Aesthetica, Frankfurt am Main 1967

Amorbach

„Trieb ich halbwüchsig allein durch das Städtchen im tiefen Abend, so hörte ich auf dem Kopfsteinpflaster die eigenen Schritte nachhallen. Das Geräusch erkannte ich erst wieder, als ich, 1949 aus der amerikanischen Emigration zurückgekehrt, um zwei Uhr nachts durch das nächtliche Paris vom Quai Voltaire in mein Hotel ging. Der Unterschied zwischen Amorbach und Paris ist geringer als der zwischen Paris und New York. Jene Amorbacher Dämmerung jedoch, da ich als kleines Kind von einer Bank auf der halben Höhe des Wolkmann zu sehen glaube, wie gleichzeitig in allen Häusern das soeben eingeführte elektrische Licht aufblitzte, nahm jeden Schock vorweg, der nachmals dem Vertriebenen in Amerika wiederfuhr. So gut hatte mein Städtchen mich behütet, daß es mich noch auf das ihm gänzlich Entgegengesetzte vorbereitete.“

Theodor W. Adorno, Amorbach, S.22, in: ders., Ohne Leitbild Parva Aesthetica, Frankfurt am Main 1967

Über diesen Blog

In diesem Blog dokumentiere ich meine fotografische Erkundung des Naturraums Filder und seiner Peripherien. Seit 2015 bin ich in dieser für mich alltäglichen, zugleich besonderen Gegend zu Fuß unterwegs. An Tagen, wo das Fotografieren nicht klappt, entstehen beim Gehen manchmal Notizen zu Texten, die gelegentlich ebenfalls hier veröffentlich werden. Weiterlesen…